Kommentar: „SCHAU HIN!“ oder lieber weg

„SCHAU HIN!“ oder lieber weg

1. Was ist SCHAU HIN?

Die Website „SCHAU HIN!“ bietet zahlreiche Artikel und ein paar Weiterbildungen in »Medienkompetenz« für Eltern an. Das Impressum beschreibt:

„SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“ ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der beiden öffentlich-rechtlichen Sender Das Erste und ZDF sowie der AOK – Die Gesundheitskasse.

Das war Grund genug den Dienst genauer unter die Lupe zu nehmen und leider fällt das Feedback nicht allzu positiv aus. Als Hinweis: Ich habe wesentlich mehr kritische Tipps und Aussagen entdeckt als im Artikel genannt, jedoch ist es schlicht bei der Menge nicht möglich alle im Artikel zu verarbeiten.

2. Tracker und Werbung

Besucht man die Website von „SCHAU HIN!“ ist der Analysedienst etracker aktiv und stellt eine Verbindung zu der Seite etracker.com ohne explizite Erlaubnis gem. DSGVO her. Die Firma als auch die Server von etracker.com befinden sich in Deutschland und unterliegen somit der DSGVO. Gemäß § 15 Abs. 3 TMG muss dem Nutzer eine Abwahlmöglichkeit bei der Bildung von Nutzerprofilen gegeben werden. Ein solches Opt-Out wird weder durch einen Banner noch in der Datenschutzerklärung bei SCHAU-HIN ermöglicht.

In den späteren Videokursen wird Youtube eingebunden und das Seitenlayout bricht auch ohne die Erlaubnis von Drittanbietern zusammen. Ein dsgvo-konformer Videohost ohne Verbindungen zu Google ist nicht gegeben.

Als soziale Netzwerke auf denen SCHAU HIN! als Medienkompetenztrainer seine Online-Präsenzen hat sind TikTok, Youtube, Twitter und Facebook. Dezentrale soziale Netzwerke wie Mastodon, Peertube oder Pixelfed sind nicht vertreten.

Unter der Rubrik »Medienkurse für Eltern« werden kostenlose Online Seminare in Medienkompetenz für Eltern von „SCHAU HIN!“ angeboten.

Dort heißt es im Kurs z. B.

Eltern stehen unter der ständigen Beobachtung ihrer Kinder. Deshalb ist die Vorbildfunktion von Anfang an so wichtig: Schon Kleinkinder imitieren ihre Eltern. Indem Eltern mit gutem Beispiel vorangehen, vermitteln sie ihrem Nachwuchs den verantwortungsbewussten Umgang mit Medien.

Jedoch hat auch der Anbieter eines solchen Medienkompetenzkurses eine Vorbildfunktion im Umgang mit Daten. Die könnte darin bestehen, vor allem datenschutzfreundliche und sichere Tools zu bewerben anstatt die etablierten (wenn auch mit ein bisschen oberflächlicher Kritik) gutzuheißen.

3. Medienkurs für Eltern

Registrieren wir uns bei den Medienkursen für Eltern erhalten wir kurz darauf eine E-Mail mit der Registrierungsbestätigung und folgendem Satz.

Wenn Du Dich neu angemeldet hast, schau gerne in unserer Facebook-Gruppe „Medienkurse für Eltern“ vorbei. Dort kannst Du Dich mit anderen Medienkurs-Absolvent*innen austauschen und an regelmäßigen Fragerunden mit unseren SCHAU HIN!-Mediencoaches teilnehmen.

Wenn man sich als Elternteil ernsthaft für Medienkompetenz interessiert, sollte man nicht noch zu Facebook gelotst werden, was seit Jahren für das Gegenteil von Kompetenz und Datenschutz steht. Als eine der vielen Skandale möchte ich explizit an die Teenager Experimente erinnern. Da ich jedoch hoffe, dass die meisten Eltern bereits wissen, wenn sie denn von sich aus ein Medientraining machen, dass Facebook keine gute Wahl ist, macht es auch keinen guten Eindruck dies in die Registrierungsmail zu schreiben. Ansonsten ist »Days since the last Facebook Scandal« ein gutes Nachschlagewerk.

Doch schauen wir uns weiter um. Angeboten werden verschiedene Kurse für Kinder von

  • 0 - 2 Jahren
  • 3 - 6 Jahren
  • 7 - 9 Jahren
  • 10 - 13 Jahren

Überrascht, dass für Kinder unter 4 Jahren überhaupt Medienkurse angeboten werden, sehen wir uns zuerst in der Kategorie 0 - 2 Jahre um. Beispielsweise wird geraten, wenn das 2-jährige Kind auf den Weg zum Urlaub zu unruhig wird (und die Eltern »nervt«) eine App zu installieren, bei der es Tiere antippen kann.

Bevor ich darauf weiter eingehe, möchte ich aus dem »Mama Podcast« (Folge: 256) etwas zusammenfassen. Eine Mutter beschreibt in der Folge, dass ihr 2-jähriger Sohn nun auch herausgefunden hat, dass es Handys gibt und man damit einiges machen kann. Zum Beispiel kann man damit Benjamin Blümchen hören oder sehen. Sie (die erzählende Mutter) macht beruflich viel mit ihrem Handy. Daraufhin wird erklärt, dass bei dem Kind aber das Handy nun mit »Benjamin Blümchen« verknüpft ist und wenn er seine Mama dann ständig am Handy sieht, sagt ihm sein Gehirn »Benjamin Blümchen« und er reagiert darauf. Sie erklärt weiter, dass sie das Gefühl hat, dass das Handy ihr Kind süchtig macht.

Zitat aus dem Podcast:

Ich habe das Gefühl das es ihn süchtig macht. Ich sehe an seinen Augen er ist wie…wie weg! Ich hab das Gefühl er kann das gar nicht alles richtig aufnehmen und es findet dann irgendwo auch kein Ende.

und die zweite Dame antwortet darauf:

Des Wegen ist es für die meisten Menschen auch so einfach die Kinder dann einfach vor den Fernseher zu setzen oder vor’s Handy zu setzen, wenn sie etwas wichtiges zu tun haben, weil sie dann einfach so extrem abtauchen.

Der Podcast zielte darauf ab, dass es früher für sie immer ersichtlich war, was die Eltern gerade machten. Wenn sie Termine machten, hatten sie einen Terminkalender, wenn sie Videos schauten, dann waren sie vor dem TV, beim kochen wurde ein Kochbuch genutzt. Diese Ersichtlichkeit fehlt für Kinder auf dem Handy.

Für das Kind ist nicht sichtbar, was Eltern auf dem Smartphone machen. Fotografieren sie? Machen sie Termine oder wie so schön im Podcast gesagt: »Guckt sie gerade etwa Benjamin Blümchen ohne mich?«

Das ist eine sehr passende Beschreibung, was u. a. neben technischen Risiken, ein Grund sein kann sein Kind nicht schon im Kleinkindalter ein Smartphone in die Hand zu drücken.

Hierbei handelt es sich um die Aussage und Erfahrungen einer Mutter, doch was sagen Psychologen dazu? Das Handysucht (Nomophobie - keine anerkannte Diagnose nach dem ICD-10 oder DSM-5) inzwischen auch bei Kindern und Jugendlichen im Hohen Maße angekommen ist, belegen inzwischen zahlreiche Artikel.

Abgesehen davon, dass also die Möglichkeit besteht, dass das Kleinkind fortan denkt, dass Mama oder Papa immer wenn sie alleine das Handy haben Tiere antippen und Spiele spielen, sagt
eine Kinder-, Jugend- und Familientherapeutin (Achtung, Link führt zu Youtube), dass Smartphone und Tablets eigentlich nicht in die Hände von Kindern unter 6 Jahren gehören. Sie meint, dass eher die Erwachsenen diese Spiele brauchen und appelliert an die Eltern ihr eigenes Medienverhalten zu überprüfen.

Auch QUARKS hat in einer Reportage
»Der Streit ums Smartphone: Deshalb kann es Kindern schaden«, die Auswirkungen von Smartphone- und Tabletkonsum bei Kindern aufgearbeitet.

Bleiben wir in der Kategorie, der 2-jährigen oder besser 2,7-jährigen. Denn 2,7 Jahre ist in Deutschland, laut SCHAU HIN!, das Alter, wenn zum ersten Mal Kinder im Durchschnitt ein Smartphone in der Hand halten.

Im nächsten Beispiel eine Frage, die sich mit dem Teilen von Bildern auf denen Kleinkinder abgebildet sind beschäftigt.

Leider wird nicht darauf eingegangen auf welchen Plattformen dieses Bild geteilt wird und oft (bzw. auch in anderen ähnlichen Fragen) wird der
»Privatsphäreeinstellung« des Anbieters blind vertraut. Unter Medienkompetenz stelle ich mir etwas anderes vor als »vorhandene Datenschutzregler« setzen.

Es sollte darum gehen, den Eltern zu erklären, was bei welchen Messengern eigentlich technisch passiert und was die umfangreichen Konsequenzen sein können. SCHAU HIN! geht leicht darauf ein, dass Daten verkauft, kopiert oder weitergeleitet werden können aber was heißt das? Welche Konsequenzen kann ein Kind davon tragen?

Wandern wir in die Kategorie der 7-9 jährigen werden kindgerechte moderierte Alternativen zu Instagram, Snapchat oder TikTok empfohlen.

Sie nennen dabei die folgenden:

Die Plattform Kindersache Chat war in unserem Versuch komplett unverschlüsselt erreichbar und hat ausschließlich Drittanbieter Skripte geladen, so dass die Seite nicht einmal ohne Erlaubnis der Drittanbieter dargestellt werden konnte. Normalerweise sollte es eine TLS (Transportverschlüsselung für die Website) als auch eine Verschlüsselung für die Nachrichten selbst geben.

Die Plattform Juki hingegen hat sich mit der Absicherung deutlich mehr Mühe gegeben u. a. mit der Abrufbarkeit von Profilen etc.
Unter anderem wird auch mit einem Regelvideo den Kindern erklärt, was auf der Plattform erlaubt ist und was nicht.

Warum ist es dennoch kritisch, wenn Kinder Videos von sich ins Netz stellen?
Die Probleme, welche mit der Absicherung von Videoportalen einhergehen sind weitreichender als nur einen Server-Standort in Deutschland zu haben, sich an die DSGVO zu halten und Instanzregeln zu haben. Wir haben es jetzt gerade erst geschafft Regeln (halbwegs) einzuhalten, die von vor 15 Jahren ein Topstandard waren. Heute müssen wir bereits mit den Herausforderungen von AI, Deepfakes und Gesichtssuchmaschinen kämpfen. Frauen und Kinder sind davon am meisten betroffen, wie auch das Beispiel von der Gesichtersuchmaschine Pimeyes zeigt. Auf Youtube finden sich schon erste Kinder, die ihre eigenen Stimme in irgendwelche Deepfake Generatoren unreflektiert einpflegen. Zu den Kinderaccounts werden ich hier jedoch nicht verlinken.

Das sind nebenbei auch Problematiken, die „SCHAU HIN!“ nicht erwähnt. Das solche Videos öffentlich zugänglich sind, ist daher ein gefundenes Fressen für Missbrauch.

5. So suchen Kinder (nicht)

Auch Tipps zur Nutzung von Suchmaschinen werden bei SCHAU HIN! speziell für Kinder gegeben.

Unter anderem wird bis zum Alter von 10 Jahren die Suchmaschine „Frag Finn“ empfohlen, die wir auch bereits negativ in Sachen Datenschutz bei Kuketz Blog beleuchtet haben.

Ab 13 Jahren empfiehlt SCHAU HIN! die Nutzung von Google (kein Scherz) im Safe Browsing Modus. Es gibt keine Hinweise auf Alternative und datenschutzfreundliche Suchmaschinen auch für ältere Kinder. Auch das Thema, welche Suchmaschine ist empfehlenswert und welche weniger, hat der Kuketz Blog schon mehrfach durchleuchtet.

Als Suchtipps von SCHAU HIN! gibt es:

  • Einfache und eindeutige Suchbegriffe wählen
  • Richtige Schreibweise beachten
  • Statt mit ganzen Sätzen sucht es sich besser mit wenigen Hauptwörtern
  • Überschrift und Textausschnitt geben erste Aussicht auf den Inhalt
  • Der erste Treffer ist nicht immer der beste. Oft lohnt es sich, weitere Seiten anzuklicken, um Informationen zu vergleichen.

Doch auch das hat nichts mit Kompetenz zu tun. Die richtige Schreibweise ist bei phonetischer Suche nicht mehr so wichtig wie noch vor einigen Jahren. »Überschrift und Textausschnitt geben erste Hinweise auf den Inhalt«? Was ist bei Clickbait? Von einem wirklich verantwortungsbewussten Suchen (auch um andere zu schützen) oder sich selbst und seine Interessen wird nichts erwähnt.

Wie vielen Menschen ist bewusst, wenn ich »Name meines Lieblingsstars + nackt« suche, dass das irgendwann in den Suchvorschlägen (der großen GAFAM Unternehmen) auftaucht oder wenn ich »alte Freunde« suche und »Name + vermutlichen Wohnort« in die Suchmaschine eingebe, dass Google oder Bing, dass dann wissen und im schlimmsten Fall irgendwann im Suchvorschlag anzeigen und das obwohl der Wohnort ursprünglich nicht im Internet stand und die betroffene Person dazu nicht eingewilligt hat?

Oder wie vielen ist bewusst, dass wenn man die Google Bildersuche nutzt und Bilder nimmt, von denen man nicht weiß, ob sie bereits im Internet sind, dann bei Google und Co. liegen mit einer unbekannten Verweildauer und im schlimmsten Falle von Dritten ohne deren explizite Erlaubnis?

Oder zum Beispiel auch, dass man mit Suchoperatoren arbeiten kann und wie das funktioniert, um bestimmte Ergebnisse zu finden. Hilfreich wäre auch zu erklären, wie eine Suchmaschine funktioniert. Werden alle Seiten indexiert? Wie schließt man es aus? Kann man es wirkungsvoll ausschließen? Wann sollte man das tun?

Oder auch, dass andere Suchmaschinen teilweise die Sucheingaben an Google weiterleiten und man allein deswegen schon aufpassen sollte.

DAS wäre Medienkompetenz.

5. Chat GPT

Verlassen wir die Kurse und sehen uns die Artikel an. In einem solchen geht es auch um die Nutzung von ChatGPT für Kinder. Wir erinnern uns die Zielgruppe ist zwischen 0 und 13 Jahren.

In dem genannten Artikel findet sich folgender Satz:

Bei Jüngeren ist es ratsam, ChatGPT gemeinsam zu erkunden und zunächst nur unter Aufsicht von Erwachsenen zu nutzen.

Von einem Medienkompetenzteam erwartet man eigentlich, dass sie auch AGB & Co. lesen und es den zukünftigen Nutzern nahe legen, denn dort steht:

You must be 18 years or older and able to form a binding contract with OpenAI to use the Services. If you use the Services on behalf of another person or entity, you must have the authority to accept the Terms on their behalf. You must provide accurate and complete information to register for an account. You may not make your access credentials or account available to others outside your organization, and you are responsible for all activities that occur using your credentials.
https://openai.com/terms/

oder auf Deutsch:

Sie müssen mindestens 18 Jahre alt und in der Lage sein, einen verbindlichen Vertrag mit OpenAI abzuschließen, um die Services zu nutzen. Wenn Sie die Dienste im Namen einer anderen natürlichen oder juristischen Person nutzen, müssen Sie die Befugnis haben, die Bedingungen in deren Namen zu akzeptieren. Sie müssen genaue und vollständige Angaben machen, um sich für ein Konto zu registrieren. Sie sind nicht berechtigt, Ihre Zugangsdaten oder Ihr Konto anderen Personen außerhalb Ihrer Organisation zugänglich zu machen, und Sie sind für alle Aktivitäten verantwortlich, die unter Verwendung Ihrer Zugangsdaten stattfinden.
https://openai.com/terms/

Um ChatGPT laut der Datenschutzerklärung mit dem Konto (welches man nur erstellen darf, wenn man 18 Jahre alt ist und dann eine vertragliche Bindung eingehen kann) dann nutzen zu können, muss die Person mind. 13 Jahre alt sein.

Glücklicherweise gibt es bereits an anderer Stelle einen Artikel, der die Problematiken rund um ChatGPT schon sehr gut beschrieben hat und wir uns einer weiteren Aussage im Artikel von SCHAU HIN! widmen können:

Wenn ChatGPT Informationen zusammengetragen hat, können Kinder und Eltern anschließend Nachforschungen durchführen. Wie leicht kommen NutzerInnen per Google-Suche auf dasselbe Ergebnis? Stimmen sie mit den Antworten überein? Wie können Fragen formuliert werden, um bessere Ergebnisse zu erhalten?

Abgesehen davon, dass ChatGPT nicht für Kinder geeignet ist: Warum eine Google Suche, wenn man Kinder in Datenschutz und Medienkompetenz schulen möchte?

Wen wir heutzutage noch nicht mal eines der ältesten Tools des Internets (Suchmaschinen) richtig und qualifiziert nutzen können ohne dabei auch anderen zu schaden, was qualifiziert uns dann eine künstliche Intelligenz mit Daten zu füttern? Wer sagt das dann die Mehrheit der Nutzer in der Lage ist, die Aussagen von ChatGPT richtig einzuschätzen?

6. WhatsApp und der Klassenchat

Im Bereich der 10 - 13 jährigen ging es dann um das Thema Klassenchats mit WhatsApp.

Hier werden folgende Aussagen getroffen:

Stimmt nicht:

  • Der Klassenchat reicht als Kommunikationsweg für Organisatorisches
  • Eltern sollten sich in den Klassenchat ihres Kindes nicht einmischen
  • Eltern sollten auch Teil des Klassenchats sein

Stimmt:

  • Der Klassenchat reicht nicht als einziges Werkzeug zur Kommunikation aus
  • Der Umgang mit Klassenchats kann auf einem Elternabend besprochen werden
  • Eltern sollten kein Teil des Klassenchats sein

Vorab möchte ich feststellen, wenn man in den Artikeln von „SCHAU HIN!“ nach Messenger sucht, dann findet man ausschließlich Artikel über WhatsApp (Stand 19.02.23).

Im Artikel „sichere Messenger Apps für Kinder“ werden bei WhatsApp folgende Punkte angekreidet:

Zugriff auf Kontakte aus dem Adressbuch: Bei Installation wählbar. Ohne Zugriff ist Funktionalität eingeschränkt. Bei Zustimmung werden auch Daten von Kontakten gespeichert, welche die App nicht nutzen.

Der Satz steht für sich allein und wird nicht weiter ausgebaut. Was bedeutet es, wenn Kontakte, die den Dienst nicht nutzen durch meine Schuld ihren Weg zu WhatsApp finden?
Welche (rechtlichen) Konsequenzen kann das für mich haben und welche Konsequenzen für den Betroffenen? Gab es hier vielleicht sogar schon ein rechtliches Schriftstück in welche Schwierigkeiten man hier geraten kann? Vielleicht sogar an Hand des Beispiels WhatsApp?

Das AG Bad Hersfeld hat das bereits festgestellt:

Wer durch seine Nutzung von „WhatsApp“ diese andauernde Datenweitergabe zulässt, ohne zuvor von seinen Kontaktpersonen aus dem eigenen Telefon-Adressbuch hierfür jeweils eine Erlaubnis eingeholt zu haben, begeht gegenüber diesen Personen eine deliktische Handlung und begibt sich in die Gefahr, von den betroffenen Personen kostenpflichtig abgemahnt zu werden.

oder aus dem Urteil:

Die Kindesmutter wird verpflichtet, von allen Personen, welche aktuell im Adressbuch des Smartphones ihres Sohnes E. gespeichert sind, schriftliche Zustimmungserklärungen dahingehend einzuholen, ob diese Personen damit einverstanden sind, dass E. in dem Adressbuch seines Smartphones die Telefonnummer(n) und den Namen - wenn ja, in welcher Form (Pseudonym, Kürzel oder aber Vor- oder/und Nachname als Klardatum) - der jeweiligen Person speichert und dass die Daten von dort dann regelmäßig über die von E. gleichzeitig genutzte Applikation „WhatsApp“ an den Betreiber WhatsApp Inc. in Kalifornien/USA übertragen / hochgeladen werden, wo diese Daten zu vielfältigen Zwecken des Betreibers laut dessen Nutzungsbedingungen frei weiter verwendet werden können.

Der gesamte Tenor zu WhatsApp vom AG Bad Hersfeld
Familiengericht (Aktenzeichen F 120/17 EASO) ist ebenfalls spannend und empfehlenswert nachzulesen.

Und wenn diese Information inklusive der dahinter stehenden Firma (Facebook/Meta) bekannt ist, warum empfiehlt man es in einem Medienkompetenztraining so offensichtlich immer wieder?

Doch empfiehlt SCHAU HIN! auch Alternativen? Ja, drei Messenger ganz unten im Beitrag und sehr stiefmütterlich behandelt. Diese sind laut SCHAU HIN! Threema, Signal und Wire. Von Open Source Messengern, wie beispielsweise dem Matrix oder dem XMPP Protokoll und dazugehöriger Clients und die Vorteile derer wird nicht eingegangen. Auch das Thema Messenger und den Datenschutz einzelner Messenger haben wir bei Kuketz Blog schon mehrfach durchleuchtet. Diese sind immer aktualisiert in der Messenger Matrix zu finden.

Auch fehlt die Information, wer den Klassenchat initiiert, da es sich um Hausaufgaben und Stundenausfall dreht, lässt es den Verdacht zu, dass der Chat von der Lehrkraft ins Leben gerufen wurde und ab hier beginnt ein gewaltiges Datenschutzproblem.

Zum einen beträgt das Mindestalter bei WhatsApp 16 Jahre, was die Zielgruppe von 13 Jahren noch einmal deutlich übersteigt.
Dann handelt es sich bei den Daten von Kindern um »besonders schützenswerte Daten« gem. DSGVO. WhatsApp bzw.

Meta Inc. hat seinen Sitz in Kalifornien, USA. Die USA zählt als ein unsicheres Drittland gem. DSGVO. Was bedeutet unsicheres Drittland? Das bedeutet, dass dorthin nicht sicher personenbezogene Daten (und dazu zählt bereits die IP Adresse) ausgetauscht werden können. Das bedeutet weiter, dass beispielsweise die USA keine mit der EU vergleichbaren Datenschutzgesetze hat und wenn etwas passiert (und das Verständnis von Datenschutz ist in den USA ein anderes als in Europa) die Betroffenen ihre Rechte nicht geltend machen können. Das hier etwas passieren könnte, dazu müsste die betreffende Person im Zweifel nicht einmal Mitglied des Klassenchats sein. Es würde bereits reichen, wenn dort Fotos geteilt werden, wo eine Person/Kind zu sehen ist, die nicht Teil des Chats ist um ihre Rechte zu verletzen.

Des Weiteren erklärt es die IHK Website Stuttgart sehr treffend:

Mit Urteil vom 16.07.2020 (Rechtssache C-311/18, Schrems II) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission zur Datenübermittlung in die USA (sog. „Privacy Shield Abkommen“) für ungültig erklärt.
Der EuGH hält das Datenschutzniveaus in den USA nicht für angemessen, da das Privacy Shield-Abkommen keinen ausreichenden Schutz biete gegenüber nachrichtendienstlichen Aufforderungen zur Herausgabe von personenbezogenen Daten von EU-Bürgern, die in den USA verarbeitet werden bzw. dorthin übermittelt werden.
Durch die Ungültigkeit des Angemessenheitsbeschlusses kann mit sofortiger Wirkung keine Datenübermittlung in die USA mehr auf den Privacy Shield gestützt werden.

Auch eine Speicherung der Daten von Meta in Europa kann einen Software-Einsatz von WhatsApp nicht rechtfertigen, denn der Cloud Act ermöglicht es das US-Behörden auch auf die Daten per Gesetz von US-Unternehmen, die Sitz in Europa haben zuzugreifen. Der Cloud Act war eines der Argumente von Max Schrems (NOYB), der das Privacy Shield letztendlich zu Fall brachte und den Angemessenheitsbeschluss für ungültig erklärten.

Um personenbezogene Daten bei beispielsweise Dienstleistern zu verarbeiten braucht es einen Auftragverarbeitungsvertrag, so auch bei Messengerdiensten wie WhatsApp. Der wäre jedoch rechtlich nicht haltbar (kein Angemessenheitsbeschluss, unsicheres Drittland, Cloud Act, Fall des Privacy Shields) und kann kein angemessenes Datenschutzniveau bieten.
Des Weiteren kann man die Kinder auch nicht zwingen dazu einzuwilligen, ihre Daten in ein unsicheres Drittland zu übertragen und im Zweifel keine Rechte an diesen ausüben zu können.
Dies kann auch zu enormen Bußgeldern durch Datenschutzaufsichtsbehörden an den jeweiligen Schulen führen, wenn Lehrkräfte dies als Pflicht einführen, um am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen.

Die einfachste Möglichkeit für Schulen wäre es, sich einen Open Source Messenger (nicht federiert) selbst aufzusetzen und sich dafür auch entsprechendes Fachpersonal ins Haus zu holen. Es ist nicht länger tragbar, dass Lehrkräfte allein die gesamte Digitalisierung an Schulen übernehmen und Vormittags unterrichten und Nachmittags Hobbyadmin für besonders sensible Daten sind.

7. Fazit

„SCHAU HIN!“ lädt zum Hinsehen ein. Wenn man hinsieht, ist das Angebot jedoch enttäuschend.
Es ist nicht ersichtlich, weder in der Teambeschreibung noch an Hand der Qualität des Inhalts, dass einer der »Medienexperten«, die an den Projekt mitwirkten Fachkenntnis in Datenschutz oder der Informatik hat.

Gerade bei solchen Projekten sollte man sich gerade diese ins Boot holen, denn ein Notfalls einfach die »Bilder auf privat stellen« und die »Datenschutzeinstellungen im Profil anpassen« greift einfach zu kurz und ist in den meisten Fällen Augenwischerei. Bedenklich finde ich daher, dass solche Projekte dann staatlich gefördert werden.

Das war nur ein leichtes Kratzen an der Oberfläche, es gäbe noch mehr Punkte, an Hand derer man aufzeigen könnte, dass die Tipps nicht zeitgemäß sind und es sogar bessere Alternativen gibt das Problem zu lösen.

Um noch ein ein paar weitere Themen inkl. kurzer Kritik zu nennen, die es nicht in Gänze in den Artikel schafften:

  • eine PS4 braucht kein Internet, auch ein Account ist nicht zwanghaft notwendig und das Betriebssystem manuell und ohne direkte Internetverbindung geupdatet werden.
  • Es gibt einen Artikel »Diese Chancen bieten soziale Netzwerke«, jedoch keinen Artikel welche Risiken soziale Netzwerke mit sich bringen. Die AOK (sogar Teil der Initiative von SCHAU HIN!) hat selbst einen Artikel über »Depression bei Kindern durch Social Media)« veröffentlicht. Eine komplette Studie zu dem Thema „Social Media und Depressionen“ findet sich hier.
  • Gefahren durch Gesichtserkennung werden nicht erwähnt, auch nicht das Gesichtserkennungssoftware inzwischen nicht mehr zwanghaft das Gesicht sehen muss. Manche Software ist so gut, dass sie Menschen bereits erkennt, wenn diese auf einem Bild mit dem Rücken zu sehen sind.
  • Der Artikel »So umgeht man Viren und Spionage Software«
    beinhaltet nicht, dass der Google App Store sehr oft bereits Schadsoftware verbreitet hat, das Kommentare nicht aussagefähig sind, ob eine App sicher ist oder nicht und auch nicht das Downloadzahlen nichts aussagen. Bestes Beispiel der WOT Skandal.
  • Artikel zu Videokonferenzsystemen empfiehlt MS Teams und auch andere fragwürdige Konferenzsysteme. Als positiver Punkt ist Jitsi Meet dabei, jedoch selbst hier scheint den Autoren nicht bewusst zu sein, dass es Open Source Software ist. Das nicht jeder Host die gleichen Sicherheitseinstellungen trifft, das es unterschiedliche Hosts gibt, nicht jeder Host in Europa sitzt und nicht jeder Host es ermöglicht, dass 2.000 Menschen problemlos gleichzeitig mit der Software telefonieren können.

Man könnte wahrscheinlich noch fünf weitere Beiträge über die Tipps verfassen und Aussagen aufzählen, die unvollständig, falsch oder gefährlich sind, aber ich denke der Punkt wurde aufgezeigt, dass es leider kein empfehlenswertes Angebot in Sachen Medienkompetenz darstellt und ich hoffe einfach, dass in Zukunft solche Projekte mit IT-Sicherheitsmenschen und Datenschützern gemeinsam angegangen werden, um ein Angebot zu schaffen, welches eine »wirkliche« Medienkompetenz fördert.

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WoW!! Mega cool.
Leute wie dich brauchen wir. Eigentlich wäre genau das eine Aufgabe des ÖR Fernsehens.
Aufklärung über Datenschutz und Medienkompetenz.

Solche Sachen gehören eigentlich in die Nachrichten oder sonstige Kanäle.

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Bei der Gelegenheit möchte ich auf mobilsicher.de verweisen, die das erheblich besser machen.

Leider ist bei Mobilsicher das Förderprogramm ausgelaufen und zur Zeit gibt es nichts neues - schade.

Gruß

(TH)omas

Angeblich geht es nach diesem April wieder weiter. Mal sehen.

Der Artikel war eher für wirkliche „Weiterbildungsangebote“ also Kurse gedacht, die im Netz kursieren.

z. B.

pix.fr
Medienführerschein Bayern
Schau Hin
digitalcheck.nrw

und ich hab sie alle angesehen und keines dieser Angebote würde ich empfehlen.

Dazu kommt, dass mir heute (ich weiß ich wollte nichts mehr zu SCHAU HIN sagen) aufgefallen ist, dass ich nicht mal einfach so in den SCHAU-HIN Einstellungen mein Konto löschen kann und als ich im Mitgliederbereich dann deswegen den Datenschutz anklickte wurde es noch besser…

Und was macht der ÖRR in Wirklichkeit?

Der Zug ist da und in der Politik sowie den Behörden, die das alles hauptverantworten längst abgefahren.

Prognose: Deutschland wird digital noch weiter abgehängt werden - mal schauen wie es 2030 hier so ausschaut🙈

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Weiterer Hinweis:

Vor ein paar Tagen wurde ich auf DiFü (https://difue.de) aufmerksam gemacht. Auch dieses Angebot hat ähnliche „Qualität“ wie die Vorgänger. Ein Auszug:

Du meldest dich einfach bei einem der vielen Anbieter an, zum Beispiel bei outlook.com, gmail.de, web.de oder gmx.de.

Die einzig genannten Videokonferenzsysteme sind Skype und Zoom.
Und auch die anderen Bereiche lassen die Haare schnell grau werden.

Also auch hier keine Empfehlung meinerseits. Geht lieber raus und genießt das schöne Wetter.

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Dass die etracker GmbH persönlich der DSGVO unterliegt, ist ein notwendiges Kriterium für die Anwendbarkeit der DSGVO, aber kein hinreichendes.

Damit die Regelungen der DSGVO bei der Verwendung der Analysewerkzeuge der etracker GmbH auf der Website „SCHAU HIN!“ einschlägig sind, muss dieser Vorgang auch in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fallen. Voraussetzung dafür ist, dass personenbezogene Daten Gegenstand der Verarbeitungsvorgänge sind. Personenbezogene Daten sind Informationen über einen identifizierbaren Menschen. Ob die etracker GmbH oder der Betreiber von „SCHAU HIN!“ bei der Verwendung der Analysewerkzeuge tatsächlich solche Informationen verarbeitet, verschweigt der Beitrag.

§ 15 TMG ist vor mehr als anderthalb Jahren außer Kraft getreten.

Unabhängig davon: Auch hier bleibt festzuhalten: Der Beitrag verschweigt, ob der Betreiber der Website tatsächlich Profile von Nutzern anlegt, anhand derer ein konkreter Mensch identifizierbar ist. Der Beitrag verschweigt ebenso, ob die etracker GmbH solche Profile anlegt.