Hi ilu,
danke für Deine Antwort.
Ich denke, das wir in der Sache gar nicht so weit auseinander liegen. Nur sagst Du halt, dass das Glas halb leer sei, während ich sage, es ist halbvoll.
Liest man den ganzen von Dir hier noch einmal verlinkten Beitrag von Andre Meister (netzpolitikPUNKTorg) zum zweiten Mal in Gänze und in Ruhe, müsste oder sollte eigentlich spätestens hängen geblieben sein, dass die Schlapphüte diesbezüglich vor allem viel Schaum schlagen und ihre Backen gewaltig aufblasen (v.a der BND; aber Klappern gehört ja bekanntlich zum Geschäft, sichert stattliche staatliche Gelder, Karrieren, Besitzstände usw. usf. - anderes Thema, ich weiß).
Wäre es so, wie Du vermutest (dass der Tor-Browser nur etwas für risikobewusste SpezialistInnen ist, statt auch für Oma und Opa), müssten ziemlich viele Leute ganz schöne und einigermaßen gefährliche Vollidioten - oder schlimmer noch: denunziatorische Geheimdienstbüttel sein, wenn sie z.B. selbst Tor-Server betreiben und auch noch Andere dazu ermutigen, diese Möglichkeiten zu nutzen - also bspw. DigitalCourage, der CCC, Jens Kubiziel, der Heise-Verlag/c’t oder auch mailboxPUNKTorg.
Sicherlich hast Du Recht mit Deinem Bedenken, dass man schon in groben Grundzügen verstehen sollte, worauf man sich mit der Nutzung des Tor-Browsers einlässt: Dass man damit rechnen muss, besonders bemerkt, vielleicht sogar (zeitweise) überwacht zu werden. Das aber heißt noch lange nicht, dass diese Überwachung zwangsläufig zu einer Deanonymisierung führen muss: Die Geheimdienste beißen sich eher regelmäßig die Zähne am Tor-Netzwerk aus. Auch das steht in besagtem, von Dir angeführten und teilweise zitierten Artikel.
Ich möchte nun nicht felsenfest auf meinem Standpunkt beharren - dass auch Oma und Opa relativ gefahrlos einen Default-Tor-Browser ausschließlich zum Surfen benutzen sollten; für den sensibleren Rest können sie dann immer noch einen in friedlicher Koexistenz laufenden Standard-Internet-Browser nutzen -, weiß aber bisher keinen validen Grund (auch Du hast mir - außer Mutmaßungen und unbelegten Gerüchten - keinen genannt), warum sie es nicht tun sollten.
Ein wichtiges Thema meines Beitrags war es ja, ob man dem Tor-Browser auch dahingehend vertrauen kann, wenn man ihn dazu benutzt, um dem „Freundeskreis Vorratsdatenspeicherung“ einen Strich durch die Überwachungsrechnung zu machen, indem man versucht, ihn sicher so zu konfigurieren, dass man sich mittels Tor-Browser auch sicher einloggen kann an eigenen Accounts, ohne das z.B. der eigene Internet-Provider davon erfährt.
Dass das nicht jedermanns/-fraus Sache ist, ist klar: Hier beginnt sozusagen ein „Spezialgebiet“ - wenn man/frau so will. Aber darüber diskutieren wir im Augenblick (leider) nicht. Du sagst vielmehr, Otto NormalverbaucherIn sollte mal besser die Finger vom Tor-Browser lassen. Das halte ich angesichts der Lage Deiner Argumente einerseits und der bekannten Tatsachen anderseits für einigermaßen, nun ja: elitär (um es mal euphemistisch ausdrücken).
Genau diese Haltung führt auch dazu, dass nicht Milliarden sondern nur einige, wenige Millionen das Tor-Netzwerk nutzen. Da lassen sich dergestalte Verbindungen natürlich um einen nicht unwesentlichen Faktor leichter korrelieren und eventuell ausschnüffeln. Würden aber besagte Omas und Opas und auch Hinz und Kunz es benutzen, würden die Vereinigten Schlapphüte ganz schön in die Röhre gucken. Und die Benutzung des Tor-Browsers zum alleinigen Surfen im Internet kann wohl auch dem größten anzunehmenden Dummie-User eher zugetraut werden, denke ich.
Deine Argumentation, auf welcher Du beharrst, könnte abgeleitet auch lauten: „Lasst das mal besser mit PGP-, TLS- und überhaupt Verschlüsselung. Erstens ist das „Spezialgebiet“. Und Zweitens macht ihr euch damit nur unnötig verdächtig.“
Ich weiß nicht: Ist es wirklich besser, einen wie auch immer gehärteten Standard-Internet-Browser zum Surfen zu benutzen - und dabei die eigene IP preiszugeben? Oder ist es vielleicht doch besser, mittels eines Kollektivs (in welchem es auch immer Ar…löcher gibt, klar; aber die Sache ist ja auch deswegen nicht so ganz schlecht, weil sie diese Möglichkeit in ihrem Design mit einbezieht) die eigene IP wirksam zu verschleiern?
Ich denke, das Letzteres der Fall ist. Und denke deswegen, dass auch Oma und Opa (und noch viel mehr Leute) den (Default)Tor-Browser (zum Surfen/Gucken/Schauen/Lesen/Betrachten/Recherchieren) nutzen sollten.
Sollte irgendwo die Kernfusion außerhalb eines Labors stabil gelingen, dürfen wir davon ausgehen, das auch irgend jemand einen funktionierenden Quanten-Computer im Keller zu stehen hat. -Dann können wir uns ja noch mal etwas grundsätzlicher über Tor unterhalten.
Ich danke Dir.
Viele Grüße
leeti