Datenschutzverstöße beim Mikrozensus 2024 - Wenn der Angler selbst zum Fisch wird

Ursprünglich veröffentlicht: https://www.kuketz-blog.de/datenschutzverstoesse-beim-mikrozensus-2024-wenn-der-angler-selbst-zum-fisch-wird/

Es folgt ein Gastbeitrag eines Lesers, der im Rahmen des Mikrozensus 2024 ausgewählt wurde. Das Verfahren und insbesondere die Vorgehensweise der Interviewer werfen datenschutzrechtliche Fragen auf. GastbeitragEin Gastbeitrag von Andreas Börner. tl;dr Die unter Androhung eines Bußgeldes von bis zu 5.000 € gesetzlich vorgeschriebene Abfrage sensibelster privater Daten der Bürgerinnen und Bürger im Kontext des Mikrozensus erfolgt entgegen dem proklamierten Datenschutz unter Missachtung einfachster datenschutzrechtlicher Aspekte. Der Mikrozensus erfolgt im Rahmen eines Phishing-anfälligen Verfahrens sowie unter Verwendung privater Smartphones und Mobilfunknummern durch die Erhebungsbeauftragten, was aus meiner Sicht einen eklatanten Datenschutzverstoß darstellt. Langfassung Wir schreiben das Jahr 2024. Jeder kennt…

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Ich habe, da ich noch nie von dem Mikrozensus betroffen war, mir einen Musterfragebogen https://www.statistik.bayern.de/mam/statistik/gebiet_bevoelkerung/mikrozensus/musterfragebogen_mikrozensus_2023_-_kernprogramm__deutsch__.pdf runtergeladen und mal angeschaut. Mich graust es. Was gehen diesem Staat solche Daten überhaupt an? Fragen, wer in meinen Haushalt lebt, welche Sprachen ich Zuhause spreche, welchen Bildungsweg ich genommen habe Fragen nach meiner beruflichen Tätigkeit. Alles Aspekte, die meine Privatsphäre berühren und dem Staat einen feuchten Kehricht angehen.
Warum braucht es dafür personenbezogene Auskünfte? Man kann auch wie bei Wahlen das ganze derart anonym gestalten, dass alle Bürgerinnen und Bürger diesen Fragenkatalog erhalten und ihn anonym an die jeweiligen Behörden zurücksenden. Dann weiß der Staat, dass in Berlin 40 Prozent in Teilzeit arbeiten (nur hypothetisch), ohne dass diese sensiblen Daten mit realen Personen verknüpft werden können. Also eins weiß ich: Sollte mich das irgendwann treffen, dann bekommen die Datengeier Daten. Ob sie zutreffen, sei dahingestellt.

Sehr interessanter Beitrag - vielen Dank dafür! Mich graust es auch, wenn ich höre, wie leicht der Autor über unsichere Wege und als nicht verifizierte Person zu Auskünften gelangen konnte. Und die Erhebung über private Smartphones geht auch gar nicht. Wie beschrieben werden im Mikrozensus hoch sensible Daten erhoben und „Bring-your-own-device“ dürfte vom StaLA nicht erlaubt werden.
Die ganze Geschichte würde ich in jedem Fall an den Landes-Datenschutzbeauftragten melden.

Was ich etwas anders sehe als der Autor und der erste Kommentar ist der grundsätzliche Zweck des Zensus. Ein moderner Staat braucht aus meiner Sicht schon verlässliche Informationen zur Bevölkerung und ihren Lebensumständen, um begründet Politik machen zu können. Nicht alles sollte man aus freiwilligen Umfragen privater Anbieter ableiten. Das Anonymisierungskonzept beim Mikrozensus ist mehrstufig und niemand erhält so identifizierbare Einzeldaten zu Personen oder wertet diese aus. Voraussetzung für dieses Vertrauen ist aber aus meiner Sicht auch, dass in der Erhebung das notwendig hohe Niveau an Datenschutz gewährleistet wird. Das scheint diesem Bericht nach zumindest in Sachsen fraglich.

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Ich kann kaut dem Fragebogen nicht mal sagen das ich Deutscher bin :rofl: :rofl: :rofl:
Mein Fall wie ich die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt habe ist nicht aufgeführt… ist das geil :smiley: schickt mir diesen Fragebogen ich kreuz alles an nenne mich Donald Duck, wer prüft das denn bitte nach?

Es wird auch nicht nach deinem Lieblingsessen oder deiner Konfektionsgröße gefragt. Worauf möchtest du hinaus?

Soweit das Ideal :wink:
In der Praxis ist es nun aber so, dass es zunächst bereits eine große Herausforderung ist, auf Grundlage dieser nur in Stichproben vorliegenden Sammlung behördlichen Schubladendenkens Handlungsbedarfe zu ermitteln.

Wir wissen auch, dass bereits die Interpretation von Zahlen selten neutral und stets von Interessen getrieben erfolgt. D.h. selbst wenn man einen im allgemeinen Interesse stehenden Handlungsbedarf sehen kann, ist nicht sichergestellt, das genau dieser auch extrahiert und Thema wird.

Auf jeden Fall entsteht mit dem Fragebogen und dessen Weiterentwicklung nach und nach ein schönes Bürgerprofil. Das kann man dann in ein Bürgerbuch eintragen.
Eine künftige Regierung die es aufgrund Umständen ganz genau wissen muss, z.B. weil sie direkt und aktiv mit den Menschen arbeiten will, macht das dann verpflichtend für jeden.

Wenn ich laut dem Fragebogen lügen würde das ich Deutscher bin, wäre ich ein illegaler Einwanderer, ich muss mich doch nicht selbst belasten.
Der Fragebogen gehört abgeschafft. Ganz einfach. Statistiken können die von den Daten im Meldeamt nehmen. Ebenso zum Wohnverhältnis, wie viele Rentner und Arbeitssuchende in den Bezirken wohnen sind alles Daten die schon irgendwo liegen.
Warum das auf diese Weise dem Bürger auf erzwungen wird, liegt wohl an der Freiwilligkeit per Gesetz, die man benötigt die Verarbeitung so durchführen zu dürfen.
Wie so oft, wenn Gesetze umsegelt werden müssen.

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Welche Politik soll das bitte sein, die Informationen über den Sprachgebrauch im Privaten benötigt? Oder die Frage, warum jemand in der Berichtswoche nicht arbeitet? Nochmal zur Verdeutlichung: Alles was hinter meiner Wohnungstür passiert, geht diesem Staat einen feuchten Kehricht an. Punkt. Alles andere ist nur Übergriffigkeit, weil man dank gesetzlichen Zwang auch Übergriffiges fragen kann, ohne auf Widerstand hoffen zu können. Gegen solche Fragen müsste geklagt werden, aber ich kann mir schon denken, dass das nicht von Erfolg gekrönt ist. Das vorgebliche Anonymierungskonzept stelle ich in Zweifel. Einen Staat traut man nur so weit, wie eine Ratte spuckt. Es sollte doch langsam klar sein, dass digitale Datenverarbeitung intransparent ist. Ich stehe ja nicht im Statistischen Landesamt daneben und kann verifizieren, ob die Versprechen, die relevanten Daten zu anomymisieren, tatsächlich zutreffen.

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Es tut mir leid, aber ich verstehe es immer noch nicht. Kannst du das Problem noch einmal genauer erläutern? In dem Fragebogen wird doch gar nicht nach der Nationalität gefragt - und selbst wenn die Frage dort vorkäme, was hat das mit illegaler Einwanderung zu tun?

Frage 32 „Besitzen Sie die deutsche Staatsangehörigkeit?“ und nachfolgender Kram

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Es ist immer nur eine Stichprobe (kannst ja schlecht alle befragen) und diese ist mit Sicherheit repräsentativ und mit 1% der Bevölkerung doch recht groß, da könnte man schon viel ableiten.

Inwiefern es die Politik schafft, daraus was Vernünftiges abzuleiten, steht auf einem ganz anderen Blatt. Noch dazu ist das vom Datenschutz her ja eine Katastrophe.

War auch meine erste Idee.

Weil mir mit den gegebenen zu erfüllenden Möglichkeiten, die Wahlmöglichkeit Deutsch nach Geburt nicht frei steht. Ist eine Winzigkeit aber so ist das wenn man eine Minderheit ausgrenzt.Somit bin ich staatenlos und illegal.

Zum Thema Volkszählung und Datenschutz noch folgende Anekdoten:

Beim letzten Mikrozensus hatte ich auch ein Postkarte mit handschriftlichem Namen, Handynummer und Termin im Briefkasten. Ich habe das im ersten Moment auch für einen Fake gehalten.
Den Namen meiner „Interviewerin“ habe ich dann mal im Internet gesucht und erhielt ihre Seiten von Facebook, Instagram und Tiktok in der sie ausgiebig ihr Privatleben teilte. Ich wusste gleich wie sie aussieht, wie ihre Kinder aussehen etc. Das ist natürlich alles erlaubt, aber passt irgendwie zu Volkszählern, die private Daten von ihren Interviewten erfragen.
Mit dem Datenschutz der erhalten Daten nehmen es alle auch nicht so genau. Der Volkszähler, der bei einer Freundin von mir war, hat ihr von jemandem erzählt, den er an dem Tag zuvor befragt hatte und was dieser so geantwortet hatte.

Man ist zwar verpflichtet zu antwortet, durchgesetzt wird es aber wohl nicht. Ich habe meine Interviewtermine ignoriert und auch auf die dann folgenden Schreiben und Erinnerungen zur schriftlichen Befragung (bzw. über das Internet) nicht reagiert. Es ist nichts weiter passiert. So lange das Ausnahmen bleiben, wird man sich wohl nicht die Mühe machen, Bußgelder oder Zwangsgelder zu verhängen.

Die Schreiben kommen wohl auch in der Regel nicht mit Zustellungsnachweis (Einschreiben etc.), manche werden aber persönlich eingeworfen (von den Interviewern).

Stinkt der Fisch vom Kopf her?
Die Vorgesetzten der Interviewer benötigen jedenfalls keine speziellen Kenntnisse beim Thema Datenschutz, wie man hier nachlesen kann:
https://statistik.sachsen-anhalt.de/wir-ueber-uns-service/stellen-ausschreibungen

Dezernatsleitung Bevölkerung, Mikrozensus, Wirtschaftsrechnungen
unbefristet zum 01.06.2024
Bewerbungsfrist: 20.03.2024

In NRW wird ebenso kein Wert auf Datenschutz gelegt:
https://karriere.nrw/stellenausschreibung/e9017a8c-6e3f-44e1-9a94-2db653591596

Wünschenswerte weitere Qualifikation:

  • Hohe Sensibilität im Bereich Datenschutz

Hier noch die Stellenanzeige für Interviewer. Dort steht entgegen der hier getätigten Aussagen, das eigene Hardware verwendet würde:
Die Interviewer bekommen einen Laptop gestellt!
https://statistik.sachsen-anhalt.de/themen/bevoelkerung-mikrozensus-freiwillige-haushaltserhebungen/mikrozensus/interviewende-gesucht
Immerhin wird Verschwiegenheit gefordert.